Schmeicheln und Austeilen

  • Autor:

    Jens Wehn

  • Quelle:

    BNN

  • Datum: 2020-01-28
  • Semesterkonzert der KIT Big Band

    Was macht man, wenn die Sängerin krank wird? Das Programm ändern, Songs austauschen, streichen oder gar das ganze Konzert ausfallen lassen? Klar, könnte man alles machen. Günter Hellstern aber telefoniert. Und so kommt’s, dass Judith Hendos für die indisponierte Marlene Helm einspringt: „Fly Me To The Moon“. In der ganz allein von der Stimme getragenen Einleitung erweist sich die ehemalige Sängerin der Big Band als gute Wahl.  Stark und geschmeidig ist ihre Stimme, Hendos hat Bühnenpräsenz. Das Publikum im voll besetzten Gerthsen Hörsaal hat sie im Griff. Natürlich gehört zu einer guten Sängerin eine gute Band. Die Big Band des KIT ist so eine. Bandleader Günter Hellstern hat seine Truppe gut aufgestellt. Der Bläsesatz ist im Tutti dicht, das Zusammenspiel funktioniert tadellos, die Dynamik von einigem Umfang und der stilistische Rahmen ist breit gefächert.  Von klassischen Swing-Stücken reicht es bis in den Rock (Bandfire), streift dabei den Hardbop (Dat Dere) und wird auch mal bluesig oder lateinamerikanisch. Für Letzteres greift Hellstern zum Akkordeon und spielt als Solist eine Melodie aus einer brasilianischen Telenovela. Das Akkordeon muss hier die erkrankte Sängerin ersetzen. „Ich weiß, dass Marlene es sehr schön gesungen hätte“, meint der Bandleader. Sehr schön singt aber auch eine weitere Dame: Marie Gerhardine Iguchi, die sich schlicht „Gerda“ nennt und an der Musikhochschule Operngesang studiert.  Gerda tritt das erste Mal mit der KIT-Big-Band auf, und dass das noch öfter geschieht, bleibt zu hoffen. Iguchi bringt eine exzellente Stimme mit. Sie ist schmiegsam, kann schmeicheln, kratzen, heftig austeilen und, sehr wichtig für jede ordentliche Big-Band-Frontfrau, sie kann eine Show abliefern.  Mit Anthony Newleys „Feeling Good“ stellt sie sich vor, verbindet den druckvollen Gesang mit unterschwellig lasziver Darstellung. In Cole Porters „Love For Sale“ scattet sie einen rasanten Uptempo-Mittelteil, und in „Only So Much Oil In The Ground“ von Tower of Power soult sich Gerda in die Publikumsherzen. Natürlich ist die KIT-Big-Band auch ohne Frontfrau ein feines Ensemble. Der Applaus ist lang und heftig.

    Anlass: Semesterkonzert 26.1.2020